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Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V.

Smart Steaming – Ein Ansatz zum energieeffizienten Fahren in der Binnenschifffahrt

Motivation und Veranlassung

Die aktuellen Herausforderungen der Binnenschifffahrt sind durch einen hohen Wettbewerbsdruck sowohl in Bezug auf die Kostenstrukturen als auch in Bezug auf die ökologischen Anforderungen gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund besteht die Notwendigkeit zu Effizienzsteigerungen und einer Verbesserung des ökologischen Profils. Der Brennstoffverbrauch der Schiffe ist dabei ein wichtiger Parameter, beide Aspekte zu behandeln. Hierfür kommen im Grundsatz sowohl technische als auch verhaltensorientierte Ansätze in Frage. Während technische Ansätze wie z. B. Investitionen in Motoren- und Antriebstechnologie mit hohen Kosten verbunden sind und relativ langfristige Zeiträume umfassen, können verhaltensorientierte Ansätze ohne weitreichende Investitionen auch im Rahmen der vorhandenen Technologien relativ kurzfristig umgesetzt werden. Vor dem Hintergrund der finanziellen Situation der meisten Binnenschifffahrtsunternehmen stellen verhaltensorientierte Ansätze somit einen erfolgversprechenden Weg zur Brennstoffeinsparung dar. Diese Aufgabenstellung wurde im Rahmen des Forschungsvorhabens ‚Smart Steaming – Entwicklung eines verhaltensorientierten Steuerungssystems zur Senkung des Brennstoffverbrauchs in der Binnenschifffahrt‘ aufgegriffen.

Zielsetzung

Das Ziel des Vorhabens bestand darin, ein verhaltensorientiertes Steuerungssystem zu entwickeln, welches neben Anreizsystemen v. a. Ansätze für die Wahl der Fahrgeschwindigkeit auf einzelnen Streckenabschnitten umfasst.

Im Fokus des Vorhabens stand dabei das Fahrverhalten, d. h. die Wahl der Fahrgeschwindigkeit, die zusammen mit den Schiffsparametern wie Schiffsgröße, Motorisierung und Tiefgang und den externen Einflussgrößen wie Wassertiefe, Strömung, Tide und Wind den Brennstoffverbrauch der Schiffe bestimmt. Bislang werden diese Einflussgrößen kaum systematisch berücksichtigt, sodass relevante Potenziale für eine Brennstoffeinsparung vorhanden sind.

Ansatz

Im Gegensatz zu Seeschiffen, die in der Regel unter Tiefwasserbedingungen im Einsatz sind, fahren Binnenschiffe in der Regel unter sogenannten Flachwasser­bedingungen; diese werden u. a. durch die Dispersion und die geometrische Versperrung definiert. Aus der Hydrodynamik der Flachwasserschifffahrt ist bekannt, dass Schiffe unter sonst gleichen Randbedingungen bei der Fahrt in weniger flachem Wasser weniger Brennstoff verbrauchen, als bei der Fahrt in sehr flachem Wasser und umgekehrt (bzw. dass bei gleichem Verbrauch höhere Geschwindigkeiten möglich sind). Ferner ist bekannt, dass die Wassertiefen im Streckenverlauf frei fließender Flüsse in der Regel deutlich variieren.

Aus diesen Überlegungen heraus entstand der Ansatz, das Geschwindigkeitsprofil der Schiffe an die Unterwassertopographie der Wasserstraßen, d. h. an das Streckenprofil anzupassen. Dies bedeutet, bei günstiger (größerer) Wassertiefe eher schneller und bei ungünstiger (niedrigerer) Wassertiefe eher langsamer als mit konstanter Durchschnittsgeschwindigkeit zu fahren. Damit können, bezogen auf die gesamte Fahrt, trotz gleicher Fahrzeit Einsparungen im Brennstoffverbrauch erzielt werden. Vor allem aber können Einsparungen dann realisiert werden, wenn das zur Fahrt verfügbare Zeitfenster vergrößert werden kann.

 

 

 

 

 

Modellierung und Optimierung

Ausgehend von der Erfassung der Einflussfaktoren auf den Brennstoffverbrauch und einer umfassenden Analyse ihrer Wirkungszusammenhänge wurde ein Optimierungsverfahren zur Reduzierung des Brennstoffverbrauchs entwickelt. Im Rahmen einer rechnerischen Simulation wurden Vergleiche von Fahrten mit bzw. ohne Fahrtempfehlungen durchgeführt und Einsparungspotenziale identifiziert. Hieraus konnten Empfehlungen für Schiffsführer in Bezug auf eine möglichst energieeffiziente Fahrweise abgeleitet werden.

Für die rechnerische Simulation wurde folgendes Szenario zugrunde gelegt:

  • Schiffstyp Großmotorschiff GMS, Tiefgang 2,50 m, installierte Leistung 1500 kW,
  • Transportrelation Rotterdam – Basel (830 km),
  • weitere Parameter wurden bewusst konstant gehalten.

Im Einzelnen wurde folgende Vorgehensweise gewählt: Zunächst wurden verschiedene ‚Fahrstrategien‘ modelliert, mit denen in der Praxis die Geschwindigkeit festgelegt werden kann. Im Einzelnen handelte es sich hierbei um folgende Strategien:

  • konstante Geschwindigkeit über Grund VüG
  • konstante Geschwindigkeit durchs Wasser VdW
  • konstante Leistung P
  • konstante Drehzahl n
  • konstante Froud’sche Tiefenzahl Frh
  • Minimierung der gemittelten Froud’schen Tiefenzahl Frh Avg

Im Weiteren wurde die optimierte Fahrt modelliert, d. h. es wurden die optimierten Geschwindigkeiten auf den verschiedenen Streckensegmenten in Abhängigkeit von den jeweiligen Wassertiefen und die entsprechenden Verbräuche ermittelt. Diese Modellierung wurde als Referenzfall definiert.

Als Ergebnis der Modellierungen wurden die Mehrverbräuche der jeweiligen Fahrstrategien gegenüber der optimierten Fahrt ermittelt. Dabei zeigte sich, dass je nach Fahrstrategie unterschiedliche Optimierungspotenziale gegenüber der optimierten Fahrt bestanden. Für die Schiffsführer am ehesten umsetzbar ist die Strategie ‚konstante Drehzahl n‘; hierfür wurde in diesem Beispiel ein Einsparungspotenzial von rund 2 % ermittelt. Diese Potenziale vergrößern sich, wenn die Wassertiefe geringer bzw. die Ausgangsgeschwindigkeit größer ist und umgekehrt. Zusätzliche, deutlich größere Potenziale konnten realisiert werden, wenn das für die Fahrt verfügbare Zeitfenster vergrößert werden konnte. So konnten in diesem Beispiel rund 10 bis 15 % Treibstoff eingespart werden, wenn die verfügbare Fahrtzeit von 100 auf 110 oder 120 h verlängert werden konnte. Diese Erkenntnis ist für die Fahrtenplanung und Disposition von zentraler Bedeutung.

Fazit und Ausblick

Wie oben dargelegt, wurden die geschilderten Erkenntnisse durch Modellierungen auf Basis umfassender Wasserstraßendaten wie Wassertiefen und Strömung gewonnen. Diese Daten und Modellierungen stehen den Schiffsführern in der Praxis jedoch nicht zur Verfügung. Zukünftige Forschungen und Entwicklungen sollten deshalb diesen Bedarf berücksichtigen. Das aktuelle EU-Projekt PROMINENT (Horizon 2020) greift diese Fragen auf.

Trotz der genannten Einschränkungen kann festgehalten werden, dass der vorgestellte Ansatz über die Senkung des Brennstoffverbrauchs eine Kostenreduzierung und gleichzeitig eine Schärfung des ökologischen Profils und damit letztlich eine nachhaltige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschiff­fahrtsunternehmen ermöglicht. Vor allem, weil er in der Regel ohne aufwändige Investitionen z. B. in Motorentechnologie umgesetzt werden kann, ist dieser Ansatz nicht nur für die große Zahl der klein- und mittelständischen Partikuliere in der Binnenschifffahrt eine realistische Option.

Eine wichtige Voraussetzung zur Erschließung der identifizierten Potenziale ist jedoch zunächst eine stärkere Bewusstseinsbildung im Binnenschifffahrtsgewerbe. Hierzu bietet sich z. B. eine Sensibilisierung von Schiffsführern über gezielte Trainingsmaßnahmen anhand geeigneter Binnenschiffssimulatoren an.

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben 18279 N der Forschungsvereinigung DST – Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e. V., Oststraße 77, 47057 Duisburg wurde über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Bearbeitung erfolgte in Kooperation mit dem International Performance Research Institute gGmbH (IPRI).

Ansprechpartner:

Dipl.-Ing. Berthold Holtmann, Tel.: 0203  99369-55

 

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